Gerberei

Gerberei

Im 19. Jahrhundert gab es in der Gemeinde Beeck zwei Hausgerbereien. Im Gebiet des heutigen Wegberg waren es insgesamt zwölf, verteilt auf die Stadtteile Wegberg-Zentrum, Rath, Beeck, Bischofshütte und Bissen.
Leider gibt es nur wenige überlieferte Informationen zu den Hausgerbereien. 

Traditionell war die Hausgerberei ein bäuerlicher Nebenerwerb.
Manche Bauernfamilien schufen sich mit Hausweberei  (→ Leineweberstraße ein Nebeneinkommen in der kargen Jahreszeit, andere verlegten sich auf die Gerberei. Im Winterhalbjahr fand das Vieh wenig Weidefutter, es wurde mehr geschlachtet. Damit fielen Tierhäute an, die zum begehrten Leder verarbeitet wurden. Das Leder wurde zur Anfertigung von Schuhsohlen, Schnüren, Antriebsriemen, Satteln, Gürteln, Taschen und Kleidung verwendet. Gerben ist notwendig, damit die Tierhaut biegsam und gleichzeitig reißfest wird.

Von den meisten Hausgerbereien gibt es keine Überreste mehr. Die Produktionseinrichtungen waren in Innenhöfen und Nebengebäuden des Bauerhofs oder Mühlengebäudes untergebracht. Sie bestanden aus mehreren Trögen bzw. Becken, die gemauert oder in den Boden eingelassen waren. Darin wurden chargenweise die Tierhäute (Felle) nacheinander mit verschiedenen Gerbmitteln behandelt, gereinigt und am Ende ausgewaschen, bei Bedarf gefärbt und getrocknet. Der Wasserbedarf wurde aus eigenen Brunnen gedeckt. Die flüssigen bis schleimigen Rückstände kamen in eine etwas abseits auf dem Grundstück gelegene Schlinggrube. Der dort nach der Versickerung der Flüssigkeit übrig bleibende Schlamm kam als Dünger auf den Acker. 
Meyers Großes Konversations-Lexikon von 1905 erklärt:  Schling– oder Schwindgruben sind „Gruben ohne Mauerwerk, in denen die Exkremente monate-, selbst jahrelang lagern, sich zersetzen und stinkende Gase entwickeln.“
Wegen der Geruchsbelästigung wurden die Gerbereien meist in Ortsrandlage errichtet.
     (UD)

Den prinzipiellen Aufbau einer Hausgerberei zeigt eine Skizze aus einem Bauantrag aus dem Jahr 1851/52:
Quelle:  Archivmaterial, mit freundlicher Genehmigung von Dietmar Schmitz
Hausgerberei Beeck: Bau-Skizze

Es handelt sich um einen damals schon bestehenden kleinen Bauernhof in Beeck (heute: Prämienstr. 90), der zu dieser Zei vorletztes Gebäude am Ortsausgang von Beeck in Richtung Kipshoven/Moorshoven war. Der Besitzer Frans Peter Heinen wollte das bäuerliche Gebäude um eine Rotgerberei erweitern.
Die Skizze zeigt neben den neu zu errichtenden Gebäuden die Loh-Bottiche (a), die Färbe-Bottiche (b), die ausgemauerte Senk-Grube zum Ablauf des schmutzigen Wassers (c)  und die Kalk-Gruben (d).
Hausgerberei Beeck: Bau-Skizze (Ausschnitt)

1853 wurde durch Franz Carl Inderfurth ein Antrag auf Konzession für eine weitere Rotgerberei gestellt, zu errichten in Beeck im Eckgebäude Kirchgasse/Holtumer Straße (heute: Holtumer Str. 11).
     Quelle:  persönliche Mitteilung von Dietmar Schmitz am 7.11.2018

Ab Mitte des 19. Jh. entstanden einzelne gewerbliche Gerbereien, die in größerem Maßstab mit der gleichen Technik wie die Hausgerbereien arbeiteten. Hier war die Gerberei nicht mehr Nebenerwerb, sondern Haupterwerb. In dieser Zeit entstanden auch die ersten Schlachthöfe und Abdeckereien, so dass Tierhäute in größerer Menge und saisonunabhängig verfügbar waren. Gewerbliche Gerbereien benötigten wie alle Gewerbebetriebe eine behördliche Betriebsgenehmigung.

Lohgerberei um 1880

Um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jh. wurden bäuerliche und gewerbliche Hausgerbereien unwirtschaftlich und von großen Lederfabriken abgelöst. In Dalheim und in Rath-Anhoven wurden Fertigungsbetriebe für lederne Schuhe gegründet. 
Lederschuh

In gleicher Weise wie die handwerkliche Gerberei wurde auch das Schuhmacher-Handwerk durch industrielle Schuhfabrikation abgelöst. Den Schuhmachern blieb das Reparaturgeschäft (Neubesohlen, Nähte nacharbeiten etc.).

Von 1873 bis 1923 gab es in Rath-Anhoven eine Rossleder-Gerberei, die sich auf das Gerben von Pferdehäuten spezialisiert hatte. Betreiber dieser Gerberei waren die Gebrüder Heinen aus Rath. Einer dieser Brüder (Joseph Heinen) schied aus der Rather Firma aus, siedelte nach Wegberg um und gründete dort 1891 an der Fußbachstraße die Lederfabrik Heinen, die sich bis in die heutige Zeit gehalten hat.

   Details zur Lederfabrik sind bei  → Infrastruktur  im Abschnitt  → Abwasser“ zu finden.

In manchen Ländern wird auch heute noch in traditioneller Handarbeit Leder hergestellt:
Gerberei in Marokko

 


Weißgerberei

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Die Arbeitsschritte waren bei allen Gerbetechniken gleich:
trocknen, salzen, wässern, säubern, kälken, enthaaren, entfleischen, ggf. spalten, beizen, ggf. färben, ausspülen.

Unterschiedlich war die Art der Beizung:

  • RotgerLoh-Rindeber arbeiteten mit Baumrinde von Eichen, Fichten oder Tannen. Der in deren Rinde enthaltene Gerbstoff (Beizstoff) hat den chemischen Namen Tannin. Die in wärmerem Klima heimischen Korkeichen können wiederholt geschält werden, weil die Korkrinde nachwächst. Bei hiesigen Bäumen führt das Abschälen der Baumrinde zum Absterben des Baums. Deshalb  fällte man 20 bis 40 Jahre alte Bäume, schälte die Rinde direkt nach dem Schlagen ab und trocknete sie. Der Rest des Baumstamms konnte zu Brettern verarbeitet werden. Wenn nicht genügend Baumrinde verfügbar war, konnte man ersatzweise auch getrocknete Eicheln oder Eichenblätter verwenden. Das Material wurde in Lohmühlen gemahlen oder zerstampft und dann mit Wasser ausgelaugt. Dadurch entstand die gebrauchsfertige rötliche Lohe-Flüssigkeit. Die nach dem Auslaugen verbleibenden Rindenrückstände wurden getrocknet, gepresst und als minderwertiges Brennmaterial verwendet.
  • AlaunWeißgerber arbeiteten mit Alaun (chemischer Name: Kaliumaluminiumsulfat). Alaun ist farblos bis weißlich, kommt als Mineral in der Natur vor, kann aber auch aus schwach gebranntem Ton und Schwefelsäure künstlich hergestellt werden. Alaun ist in heißem Wasser gut löslich, in kaltem Wasser nur wenig, und ist ungiftig. Alaun wurde auch beim Färben von Textilstoffen verwendet. 
  • KaliumdichromatChromgerber arbeiteten mit Chromsalzen, z.B. mit Chromat.
    Chromsalze sehen farblich sehr schön aus. Sie sind aber wie alle Schwermetallsalze für Mensch und Tier giftig. Sie dürfen deshalb nicht ins Abwasser gelangen. Auch das Einatmen von Chromatstaub ist gefährlich. Chromate gelten als krebserzeugend.
  • Leinöl in FlascheSämischgerber arbeiteten mit ungesättigten Ölen (z.B. Leinöl oder Rüböl).

    (UD)   unter Einbeziehung von Informationen aus einem Vortrag von Dietmar Schmitz über Gerbereien in Wegberg am 6.11.2018

 

Ausführliche Informationen über Gerberei-Technik bietet:
www.leder-info.de/index.php/Gerberei   (gefunden am 7.11.2018)


 

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