Schulwesen

Das Schulsystem

Es ist heute nicht mehr bekannt, wann in Beeck oder in Wegberg die erste Schule eingerichtet worden ist. Vor 1800 waren Schulen im heutigen Sinn auf dem Lande unüblich. Die Kinder wurden als Arbeitskräfte in der Landwirtschaft oder beim Handwerk gebraucht. Sie lernten im Arbeitsalltag die benötigten Grundfertigkeiten. Lesen, Schreiben und Rechnen gehörte nicht unbedingt dazu. Allenfalls im Winter war etwas Zeit für Bildung. Die Analphabetenrate war hoch: etwa 90 % der Bevölkerung konnte weder schreiben noch sinnvoll lesen, maximal konnten die Analphabeten ihren eigenen Namen in Krakelschrift zu Papier bringen.
Einzige Lehr- und Lern-Institution für das einfache Volk war die Kirche. Das hing eng mit der Reformation zusammen. Martin Luther forderte 1524 den Aufbau christlicher Schulen. Im Konkurrenzkampf der katholischen Traditionalisten mit den evangelischen Reformern sah sich dann auch die katholische Kirchenorganisation zu Schulgründungen genötigt. Zwischen ungefähr 1530 und 1600 wurde in fast jedem katholischen „Kirchspiel“ eine Kirchspiels-Schule eingerichtet, meist in Räumen der Kirche oder in Gebäuden direkt neben der Pfarrkirche. Gewöhnlich wurden die Kinder nach der katholischen Firmung „zur Schule beschieden“ – eine Schulpflicht bestand aber nicht. Der Küster war gleichzeitig Lehrer. Lerninhalt war Christenlehre, d.h. Psalmen und Gesangsbuchverse auswendig lernen, Lesen aus dem Katechismus oder der Bibel. Schwerpunkt des Religionsunterrichts war die Moral. Kirchgang war Pflicht. 
Eine Koranschule im fundamentalistischen Islam arbeitet heute noch in ähnlicher Weise. 
(UD) ,  unter Verwendung von:   Leo Gillessen, Frühneuzeitliche Dorfgesellschaft, Heinsberg 1986

Der Adel und die Grundherren ließen in Mittelalter und Neuzeit ihre Sprösslinge separat vom gemeinen Volk durch private Hauslehrer unterrichten oder schickten sie auf spezielle Ritterakademien.

Das nach 1800 langsam erstarkende Bürgertum in den Städten ließ seinen Kindern eine höhere Ausbildung zukommen und nahm sich Hauslehrer, Kandidaten der Theologie oder mittellose Schriftsteller zum Unterrichten. Grundzüge der Erziehung waren Gehorsam, Verbot allen Widerspruchs, Pünktlichkeit, Auswendiglernen, Fleiß und Ordnung. Wer sich keinen Hauslehrer leisten konnte und stadtnah wohnte, schickte seine Kinder aufs Gymnasium („Lateinschule“). Auf dem Lande gab es diese Möglichkeit nicht.


Die ersten Kindergärten im deutschsprachigen Raum entstanden ab 1840 nach den Ideen der Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi und Friedrich Fröbel mit Spielmaterial, das Körper und Geist gleichermaßen fördern sollte. Wegen angeblicher „atheistischer und destruktiver Tendenzen“ verbot die preußische Regierung 1851 diese Kindergärten, 1860 wurden sie wieder zugelassen.

Anfang des 20. Jh. entstanden in Beeck und Wegberg „Kinderbewahrschulen“ (auch Kinderbewahranstalten genannt) als KInderbewahrschule BeeckVorläufer von Kindergärten. Die Kinderbewahrschule in Beeck wurde ab etwa 1912 zunächst von einer Niederlassung der Franziskanerinnen aus Nonnenwerth betreut. 1920 wechselte die Verantwortlichkeit zu den „grauen Schwestern von der heiligen Elisabeth“, einem katholischen Orden mit Stammsitz in Breslau. Als katholische Institution arbeitete sie eng mit dem Beecker Pfarrer zusammen und nahm schon früh Einfluss auf die Erziehung und den Werdegang der Kinder. Wohn- und Arbeitsstätte des Ordens war die ehemalige Küsterwohnung gegenüber dem Kirchenportal. Sie trug zeitweise den Namen „Herz-Jesu-Kloster“. Heute dienen diese Räumlichkeiten als Pfarrsälchen, hier finden gesellige und kulturelle Veranstaltungen statt.


Die ersten Schulen im Bereich Wegberg sind katholische Volksschulen gewesen, die immer in Kirchennähe angesiedelt waren. Die alte Beecker Volksschule wurde 1822 errichtet.

Einem Bericht in der kath. Kirchenzeitung für das Bistum Aachen (1961) zufolge gab es aber auch vorher schon eine katholische Institution mit angeblich 400-jähriger Tradition, die religiösen Unterricht in Privathäusern oder im Pfarrhaus abhielt. Der örtliche Pfarrer oder in seinem Auftrag der Kaplan, Vikar oder Küster der Ortskirche erteilte den Unterricht und bestimmte die schulischen Vorgänge. Dieser Unterricht fand gewöhnlich nur an hohen Festtagen statt. Er bestand aus Unterweisung im Katechismus.
Für Beeck und Kipshoven ist diese Art von religiöser Unterweisung in Form von Visitationsberichten aus den Jahren 1533, 1560 und 1582 überliefert. Sie wurde als „geringe“ Schule klassifiziert.
Für Wegberg (geldrisch) ist in Visitationsberichten eine derartige Unterweisungs-Schule erst für 1644 als „wahrscheinlich“ und für 1711 als „sicher“ genannt worden.
      Ausführlichere Informationen hierzu sind zu finden bei
      >  Leo Gillessen, Lesen und Schreiben für alle,  in:  
              Heimatkalender des Kreises Heinsberg 1991 (Hg.: Kreis Heinsberg), S. 79-88
      >  Theo Schmitz, Aus der Geschichte der Volksschule Beeck,  in:
              Heimatkalender der Erkelenzer Lande 1968, S. 134-139

1717 verfügte der preußische König Friedrich Wilhelm I., dass fürderhin alle Kinder im Alter von 5 bis 12 Jahren die Schule besuchen sollten – Jungen und Mädchen. Es entstanden in den folgenden Jahren viele Schulen in Preußen. Die beabsichtigte Schulpflicht wurde aber nicht durchgesetzt. Noch hundert Jahre später (1816) waren nur 60 Prozent aller Kinder in Preußen an einer Schule registriert. Viele Kinder blieben der Schule fern, weil sie im Haus oder auf den Feldern mitarbeiten mussten. Sanktionen für diese „Schulschwänzer“ gab es nicht.
Quelle:  https://de.wikipedia.org/wiki/Schulpflicht

Auch in „napoleonischer Zeit“ (1794-1815) gab es keine Schulpflicht. 
Schule 1802

 
In „preußischer Zeit“ (ab 1815) waren die Volksschulen nicht mehr in kirchlicher Trägerschaft, sondern staatlich. Diese Reform war aber sehr halbherzig, denn der preußische Staat gestaltete die Aufsicht über die Schulen als „geistliche Schulaufsicht“, weil man dadurch zusätzliche Beamte einsparen konnte. So war bis 1919 der Pfarrer des Ortes auch der amtliche „Ortsschulinspektor“. Dies sicherte weiterhin den Einfluss der Kirche auf den Schulbetrieb und die Lerninhalte. 


 

Dorfschulklasse 1848

Die Lehrer waren wenig angesehen und miserabel besoldet. Ein Teil ihres Gehalts wurde in Naturalien, Getreide und Brennholz ausgezahlt. Deshalb mussten sich die Schulmeister oft Nebeneinkünfte organisieren, z.B. durch Orgelspielen, Privatstunden, Bartscheren oder Schnitzen.

Schule 1811

Die meisten Schulen auf dem Lande waren ein- oder zweiklassig. Die einklassigen Schulen hatten nur einen Lehrer (und den Pfarrer); alle Schüler vom 1. bis zum 8. Schuljahr saßen in einem Unterrichtsraum. Die zweiklassigen Schulen hatten einen Hauptlehrer sowie eine Hilfslehrkraft, oft ein „Fräulein“,  und ergänzend den Pfarrer; die Schüler wurden in Unterstufe (1.-4. Schuljahr) und Oberstufe (5.-8. Schuljahr) aufgeteilt.

Schulklasse in Beeck ca. 1905

Grundsätzlich waren Lehrer männlich. Frauen konnten nur helfende Lehrkraft sein. Sie wurden noch schlechter bezahlt als die Lehrer. Zudem galt für weibliche Lehrkräfte ein verpflichtendes Zölibat: sie mussten unverheiratet sein und wurden mit „Fräulein“ angeredet. Bei Eheschließung musste die Lehrerin aus dem Schuldienst ausscheiden. Das Lehrerinnen-Zölibat wurde 1919 auf Bestreben der SPD mit der Weimarer Verfassung abgeschafft, aber schon 1923 wieder in Kraft gesetzt. Erst 1957 wurde die Zölibatsklausel vom Bundesarbeitsgericht für ungültig erklärt.

Das Abhängigkeitsverhältnis der Lehrer zum Schulinspektor (sei es nun der Ortspfarrer oder ein staatlicher Schulrat) förderte Duckmäusertum. Oft waren die Lehrer wegen schlechter Wohnverhältnisse oder Mangelernährung gepeinigt von Kopf- oder Zahnschmerzen, Rheuma, Zipperlein oder Magengeschwüren; viele hatten einfach nur Hunger.
Ihre schlechte Laune ließen sie dann meistens bei den Schülern aus.

Die miserable Lebenslage des Dorflehrers im 18. und 19. Jh. wurde in einem volkstümlichen Spottlied beschrieben: im Lied vom armen Dorfschulmeister.

Nachsitzen und Prügelstrafe waren übliche Mittel des Lehrers zur Durchsetzung von „Zucht und Ordnung“. Mit Stockhieben auf Hände, Rücken oder Gesäß konnten z.B. Schüler bestraft werden, die den Lehrer auf der Straße nicht gegrüßt, in der Kirche geschwätzt, den Unterricht gestört oder nicht aufgepasst hatten.
Prügelstrafe in der Schule 1842Seit preußischen Zeiten mussten die verhängten körperlichen Strafen vom Lehrer nach der „Exekution“ in ein „Strafbuch“ eingetragen werden, um Übertreibung und Missbrauch einzudämmen. Grundsätzlich war die „Züchtigung“ aber staatlich und kirchlich gebilligt. In der Bundesrepublik Deutschland wurde die körperliche Züchtigung von Schülern 1973 gesetzlich untersagt. In der DDR geschah das schon 1949.

        Konkrete Beispiele schulischer Züchtigung aus einem benachbarten Ort liest man bei:
        >  Christoph Steffens, Orsbecker Volksschule – Züchtigungen zu Kaisers Zeiten,  
             in:  Heimatkalender des Kreises Heinsberg 2017 (Hg.: Kreis Heinsberg), S. 161-167

Mitunter konnten die Eltern durch kleine Bestechungsgeschenke die Not des Lehrers mindern und dem bedürftigen Schüler zu einer bessere Zensur verhelfen.


Friedrich II von PreußenWer war als Lehrer geeignet?

Anweisung Friedrich II., König von Preußen („Friedrich der Große“) im Jahr 1779:

„Wenn sich unter den Invaliden (Kriegsversehrten) welche befinden, die lesen, rechnen und schreiben können, sollten diese als Landschulmeister angestellt werden … Denn diese Leute verdienen untergebracht zu werden, da sie ihr Leben und ihre Gesundheit für das Vaterland gewagt haben.“

In Preußen wurden mehrere Anläufe zur Einführung einer Schulpflicht genommen (belegt sind die Jahre 1717 und 1736), waren aber offenbar nicht sehr erfolgreich.
1828 wurde in Preußen durch Gesetz eine allgemeine Schulpflicht eingeführt, aber auch diese blieb in der Realität unvollständig und wurde häufig unterlaufen.

Die meisten Schulen erhoben von den Eltern ein Schulgeld. Um Schulverweigerung aus finanziellen Gründen einzudämmen, wurden die Volksschulkosten in Preußen in den 1840er Jahren den jeweiligen Trägern zugewiesen. Schulträger waren Städte, Zusammenschlüsse von mehreren kleinen Gemeinden oder einzelne Gutsherren.

Die schulischen Anstrengungen waren in Preußen immerhin so erfolgreich, dass im Landesdurchschnitt schon 1850 die Analphabetenquote auf 15% der Bevölkerung gesunken war.

1888 wurde den Trägern durch Gesetz ein Staatszuschuss zu den Lehrergehältern zugebilligt.
1897 schränkte der Staat seinen Zuschuss auf maximal 25 Lehrerstellen je Schulträger ein.
1906 bürdete der preußische Staat den Gemeinden die alleinige Verantwortung für den Volksschulunterricht und die Erhaltung der Gebäude sowie für die Aufbringung der dafür erforderlichen Finanzmittel auf. 

Erst 1919 konnte mit der Weimarer Verfassung die allgemeine Schulpflicht für ganz Deutschland durchgesetzt werden. Die Volksschule wurde vom ersten bis zum vierten Schuljahr zur gemeinsamen Grundschule für alle Kinder — gleich welcher sozialen Herkunft. Die Schulaufsicht wurde staatlich.

Beeck: Kirche und Schule

Gleichwohl wurden die meisten Volksschulen als „Bekenntnisschule“ geführt — entweder katholisch oder evangelisch, im linksrheinischen Gebiet fast ausschließlich katholisch.

Ortskern Beeck vor 1956

Schulträger der Volksschulen war nicht der Staat oder das Land, sondern die Gemeinde. Die örtliche Kirche hatte weiterhin massiven Einfluss auf die schulische Erziehung. Der konfessionelle Religionsunterricht blieb Pflichtfach, nur wurden die Religionslehrer jetzt vom Staat bezahlt. Das ist bis heute so.

Seit ungefähr 1990 werden wegen der sich ändernden Bevölkerungsstruktur immer mehr konfessionsgebundene Schulen zu Gemeinschaftsschulen umgewandelt. Der Religionsunterricht in den Varianten katholisch und evangelisch ist aber Pflichtfach geblieben. 
(UD) ,  unter Verwendung von:   Michael Hühner, Kommunalfinanzen, Kommunalunternehmen und Kommunalpolitik im Deutschen Kaiserreich, Münster 1998 (Diss.),  gefunden bei:  books.google.de   (am 16.4.2017); 
in Teilen angelehnt an:   www.gah.vs.bw.schule.de/leb1800/schule.htm   (am 3.3.2017)

Mehr zum Thema  
      → Schulen in Beeck und Wegberg  
im Wandel der Zeit
            (mit Details zu einzelnen Schulen)


 

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