Obrigkeit

Obrigkeit

Im Mittelalter hatten die Herrschenden die Welt zu ihren Gunsten eingeteilt in die „Hochgeborenen“ (Adel und Klerus) und die „niederen Stände“ (Bauern, Handwerker und Hörige [Knechte und Mägde]).
Die Standeszugehörigkeit war „angeboren“. Einen Wechsel der Standeszugehörigkeit konnte es normalerweise nicht geben. In seltenen Ausnahmefällen konnte ein Angehöriger eines niederen Standes „geadelt“ werden. Das widerfuhr nur Personen, die durch jahrelange treue Dienste für den Landesherrn und besondere Leistungen aufgefallen waren, beispielsweise überragend erfolgreiche Verwalter oder Söldner, die in einem Kriegszug dem Fürsten das Leben gerettet hatten. 

Adel-Klerus_Bauern

Der Holzschnitt verdeutlicht das fest gefügte Gesellschaftsbild:
rechts oben der Adel, links oben der Klerus, unten die Bauern.
Oben und unten ist nicht Zufall, sondern symbolisch und „gottgegeben“:
Wer oben ist, bestimmt.  
Wer unten ist, hat nichts zu sagen und muss schuften.

3 Stände

Für alle, die diese Schrift nicht lesen können:
       Papst/Klerus                                    König/Adel                                            Bauer
Ich mit meiner Lehr‘,             Ich mit meiner Macht,         Ha Ha !
Viel Leut zu Gott bekehr‘.       Viel Land und Leut             wann Gott und ich nichts thät‘,
                                            an mich gebracht.             Ihr beide nichts zu essen hätt‘.


Jede Obrigkeit im Mittelalter bis zur frühen Neuzeit war hierarchisch gegliedert und hatte viele Ebenen: 

„weltliche“ HerrschaftAdel
— (Kaiser)
     — König
          — Kurfürst
               — Herzog
                    — Graf
                         — Freiherr/Baron
                              — Edelmann/Ritter

Kurfürsten hatten die Aufgabe, bei einer Herrscher-Vakanz den neuen König zu wählen (zu küren). Ihre Zahl war begrenzt.
Details siehe weiter unten auf dieser Seite.
Herzöge hatten den König bei kriegerischen Handlungen mit Geld, Waffen und Söldnern zu unterstützen.
Grafen übten die höhere Rechtsprechung aus, durften Zoll auf Wegen und Flüssen erheben und hatten vielfach auch das Recht der Münzprägung.

Verwalter übten die alltägliche Macht aus, um das Vermögen der adligen Herrschaft (und daneben auch ihr eigenes) zu wahren und zu mehren:
     Vogt – Meier – Kastellan – Schatzmeister – Zinsmeister – Pfleger – Villicus – Probst – Prokurator – Amtmann – Palatin – …

„geistliche“ HerrschaftKlerus
— Papst
     — Kardinal/Erzbischof/Bischof
          — Prälat
               — Dekan
                    — Pfarrer
                         — Vikar/Kaplan
                              — Diakon
ergänzt durch das Klosterwesen mit
     — Ordensgeneral
          — Abt
               — Prior
                    — Subprior
                         — Pater (Mönch mit Priesterweihe)
                              — Frater (Mönch ohne Priesterweihe)
(Frauenklöster waren analog organisiert, nur eine Priesterweihe kam traditionell nicht in Frage.)

Auch die kirchlichen Strukturen hatten Verwalter für die profanen Angelegenheiten der Vermögensvermehrung:
     Kurie – (Dom)Kapitel – Propst – Administrator – Vestarar – …


AblasshandelEine erhebliche Einnahmequelle der Kirchenhierarchie neben der Erhebung des Zehnten war im Mittelalter der Ablasshandel.

Ablasshandel

Wer Geld hatte, konnte sich von seinen Sünden und jeglicher Schuld freikaufen — bis hin zu schweren Verbrechen. Der Ablasshandel war einer der Kritikpunkte an der katholischen Kirche, die zur Abkehr der Protestanten vom Katholizismus und damit zur Reformation führten.


Weltliche und geistliche Herrschaft 
existierten parallel zueinander, manchmal mit Interessen-Konflikten behaftet, Droste-Vischeringselten ignorant gegeneinander, meist sich einträchtig ergänzend. Weltliche und geistliche (klerikale) Strukturen waren personell miteinander verflochten, indem Söhne und Töchter von Fürsten in den höheren Klerus oder in ein Kloster eintraten. Auch verwitwete oder verstoßene Ehefrauen von Adligen konnten, ausgestattet mit geldwerten Privilegien, diesen Weg gehen. Meist übernahmen sie dort Führungsfunktionen und vermittelten die Interessen der Adelsfamilien. Ein Beispiel aus dem 10. Jahrhundert ist Kaiser Otto I., dessen Bruder Bruno Erzbischof von Köln war. Ein anderes Beispiel aus dem 14. Jahrhundert ist der Markgraf Wilhelm V. von Jülich, dem es gelang, seinen Bruder Walram vom Papst als Erzbischof von Köln einsetzen zu lassen. Ein jüngeres Beispiel aus dem 19. Jahrhundert ist Clemens August Freiherr Droste zu Vischering, der einer einflussreichen münsterländischen Adels-Sippe entstammte und Erzbischof von Köln war.

Es gab auch Herrschaftsgebiete, in denen weltliche und geistliche Macht in Gestalt von Fürst-Bistümern fusioniert waren. So war jahrhundertelang der Erzbischof von Köln gleichzeitig auch Kurfürst Territorien 1500des römisch-germanischen Kaiserreichs und Gebietsfürst.
„Kur-Köln“ reichte linksrheinisch von Remagen/Ahrweiler im Süden bis Kamp-Lintfort im Norden.
Gebiets-Herrscher waren auch der Erzbischof von Trier und die Fürst-Bischöfe von Münster, Paderborn und Lüttich. 

Im „Heiligen römischen Reich deutscher Nation“ gab es gemäß der Festlegung in der „Goldenen Bulle“ von 1356 sieben Kurfürsten.
Die Kurfürsten bildeten das Wahlgremium, wenn für das Reich ein neuer König bzw. Kaiser zu bestimmen war. Außerdem berieten sie den König/Kaiser in wichtigen Angelegenheiten. 
Die sieben Kurfürsten waren: 
– der Erzbischof von Mainz
– der Erzbischof von Trier
– der Erzbischof von Köln
– der König von Böhmen
– der Pfalzgraf bei Rhein
– der Markgraf von Brandenburg
– der Herzog von Sachsen.
Kurfürsten
Diese Darstellung existiert auch in einer kolorierten Version:

Reichshierarchie

Im 17. Jh. wurde das Gremium auf neun Kurfürsten erweitert.
1803 wurden die Erzbischöfe von Köln und Trier der Kur enthoben, weil das Rheinland unter napoleonisch-französische Verwaltung gefallen war.
Herrschaftsstruktur im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation

 

An der personellen Verflechtung von kirchlichen und fürstlichen Institutionen und der gemeinsamen sich ergänzenden Machtausübung änderte auch die protestantische Reformation nichts. Zwar beseitigten die Protestanten in ihrem Machtbereich kirchlichen Pomp und Ablasshandel, aber die Kirche blieb „Staatskirche“, und die Juden blieben ausgegrenzt.
Der Landesherr war in Personalunion auch Bischof der evangelischen Landeskirche, wie beispielsweise der Kurfürst von Sachsen am Anfang des 16. Jahrhunderts. Diese Regelung (Landesherr ist gleichzeitig oberster Bischof der Landeskirche) galt bis 1918.
Auch für Luther war die Obrigkeit gottgegeben, also nicht hinterfragbar. Diese Haltung zeigte sich 1524/25 in der blutigen Niederschlagung der Bauernaufstände, an deren Spitze u.a. der Priester Thomas Müntzer stand. Hintergrund der Aufstände in Mittel- und Süddeutschland war die immer weiter steigende Abgabenlast, die den Bauern auferlegt wurde. Luther rechtfertigte das Köpfen des Thomas Müntzer. 

So heftig sich die Religionen und Konfessionen auch über den „richtigen“ Glauben stritten — einig waren sie sich darin, dass der jeweilige Konkurrent um den wahren Glauben eine Ausgeburt der Hölle sei. So wurde Luther 1521 durch Papst Leo X. als Ketzer verurteilt.

   (UD)  
Eine detaillierte Darstellung der kirchlichen Hierarchie-Ebenen, Ämter und Titel findet man bei: 

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_religiöser_Amts-_und_Funktionsbezeichnungen  (am 7.1.2017)
Interessantes zu Kirche und Klerus im Mittelalter findet man z.B. hier: 
www.pepersack.de/scrivekamere-schreibstube/die-kirche-n-in-hildesheim/   (am 24.2.2017)


Die wirtschaftliche Grundlage der Macht der Eliten war das Grundeigentum und die rücksichtslose Ausbeutung der menschlichen und natürlichen Ressourcen. Größte Machtfülle hatten diejenigen Grundbesitzer, denen es gelungen war, politische, militärische und grundherrliche Kontrolle zu zentralisieren.
Frei nach der Quelle:  Aus der Geschichte des Erkelenzer Landes [Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande Nr. 9], S. 19 [Autor: Walter Delabar], Erkelenz 1989

Die Absicherung der Macht über die Menschen war Aufgabe der Kirche und des Klerus. Sie besetzten das Denken der Untertanen und lenkten es in die gewünschte Richtung, sei es die Moral betreffend, sei es das Segnen der Waffen und Soldaten bei Kriegsbeginn, sei es durch Gebote und Verbote.

Seit dem Mittelalter bis 1966 gab es den vom Vatikan festgelegten Index, der verbotene Bücher auflistete und von Zeit zu Zeit ergänzt wurde. Werke von Galileo Galilei, Heinrich Heine, Immanuel Kant, Jean-Paul Sartre, Voltaire, Diderot, Balzac standen auf diesem Index, der insgesamt über 6000 Schriften auflistete. Das Lesen solcher Texte war „Sünde“ und musste gebeichtet werden. Wer sie trotz Verbotes las, konnte exkommuniziert werden. Von den Kanzeln wurde die „richtige“ Denkweise in die Köpfe der Gemeinden geredet; andere Auffassungen wurden „abgekanzelt“ und verboten.
   (UD)

Mehr Details im Kapitel „Besiedlung“:  
→  Adelssitze
→  Entstehung der Grundherrschaft
und bei    https://de.wikipedia.org/wiki/Index_Librorum_Prohibitorum   (gesehen am 14.11.2018)


 

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