Bürgermeisterei

Bürgermeisterei

Vor 1795 wurde der Sprecher einer Honschaft als Honne bezeichnet. Er war der Bürgermeister. Der Bürgermeister wurde aus dem Kreis der „Meistbeerbten“ bestimmt. Das waren die meistbegüterten (reichsten) Honschaftsangehörigen.

Eine Honschaft ist ein räumlicher Bereich mit seinen dort lebenden Einwohnern. Das konnten einige benachbarte bäuerliche Höfe und Katen sein oder ein komplettes kleines Dorf oder ein Teil eines größeren Dorfes (eine „Nachbarschaft“). Der Name Honschaft soll sich von „Hundertschaft“ ableiten. Außerhalb des Rheinlands war dafür die Bezeichnung „Bauerschaft“ üblich.

Die Distrikte der Honschaften waren deckungsgleich mit der Fläche ihrer Ackerländerei, von der die Bauern Steuern zahlten. Die großen Heide- und Waldgebiete gehörten nicht zu den Honschaften, sondern unterstanden unmittelbar dem Landesherrn.

Honschaften waren die untersten ländlichen Verwaltungseinheiten. Sie stellten einen Unterbezirk des Kirchspiels dar. Das Kirchspiel war die Gesamtheit der Orte, Dörfer, Weiler, Einzelgehöfte und Arme-Leute-Katen, die zu einer Pfarrkirche gehörten. Grundherrliche, kommunale und kirchliche Strukturen waren nicht getrennt, sondern miteinander verwoben.

Die Honschaften hatten die Steuern und Abgaben für den Landesherrn […] aufzubringen. Bei Hinrichtungen sorgten sie dafür, dass die Technik des Tötens bereit war: Rad, Galgen und Scheiterhaufen. Sie hatten die Landwehren instand zu halten […]. Und wenn in Kriegszeiten eine fremde Heeresmacht durchzog und von den Einwohnern Transporte, Lieferungen und Einquartierungen verlangte, dann legten die Honschaften diese Lasten auf die einzelnen Höfe um. Ebenso mussten sie die Schutztruppen unterhalten, die der Landesherr in Zeiten kriegerischer Bedrohung zum Schutze […] in Dienst stellte, und neue Befestigungen finanzieren, die das Land sichern sollten. 
Quelle:   https://rp-online.de/nrw/staedte/willich/landgemeinden-und-honschaften-zahlten-steuern-und-abgaben_aid-20760049   (am 14.9.2020)

Der Honschafts-Bürgermeister wurde meist von der Einwohnerschaft vorgeschlagen. Einwohnerschaft meinte in Mittelalter und Neuzeit: die volljährigen männlichen Einwohner. Frauen durften weder kandidieren noch abstimmen.
Der vorgeschlagene Bürgermeister musste vom örtlichen Grundherrn bestätigt werden, er konnte nicht gegen dessen Willen sein Amt antreten. Die Befugnisse eines solchen Bürgermeisters waren gering. Er war ein Rädchen im Machtgefüge des Grundherrn.
Der Bürgermeister stellte die unterste ländliche Verwaltungseinheit dar. Er war auch für einfache Rechtsprechungs- und Streitschlichtungs-Aufgaben zuständig. Auf Anforderung des Gebietsherrn oder des Pfarrers hatte er von seinen Honschaftsleuten Steuern und Abgaben einzufordern, Fron- und Spanndienste zu organisieren sowie Einquartierungen des Militärs gerecht zu verteilen. Vielfach wurde der Bürgermeister auch Schultheiß genannt. Aus diesem Wort ergibt sich die Funktion: er heißt dich eine Schuld (in heutigem Deutsch: er befiehlt dir eine Pflicht abzuleisten). Aus der Bezeichnung Schultheiß entstanden die häufigen Familiennamen Schultz, Schulze, Scholz, Scholtes u.v.m.
unter Verwendung von    https://de.wikipedia.org/wiki/Schulthei%C3%9F   (am 14.9.2020) 

1795 wurde von der französischen Besatzungsmacht das revolutionäre französische Rechts- und Verwaltungssystem im Rheinland eingeführt. Das krempelte die überkommene Struktur des Gemeinwesens um.
Weitere Details siehe bei  → Franzosenzeit

Von 1795 bis 1935 hatten Beeck und Wegberg entsprechend den historischen Gebiets- und Herrschafts-Verhältnissen je eine Bürgermeisterei (Wegberg bis 1820 sogar zwei: Wegberg geldrisch und Wegberg jülichsch. Jede der beiden Gemeinden Beeck und Wegberg war selbstständig, hatte einen eigenen Bürgermeister, einen eigenen Etat und ein eigenes Bürgermeisteramt („Rathaus“). 

Bis etwa 1800 fand in den kleineren Gemeinden die Gemeindeverwaltung im Wohnhaus des Bürgermeisters statt. Das war zunächst kein Problem, denn es gab nur wenig Papierkrieg. Zudem entstammten die Bürgermeister immer der gut betuchten Bevölkerungsschicht und besaßen entsprechend großzügige Wohnhäuser.

Mit zunehmendem Aufgabenumfang erwarben die Gemeinden eigene Gebäude oder Gebäudegeschosse für ihre Verwaltung, manchmal mit benachbarter Dienstwohnung für den Bürgermeister und seine Familie, oft auch in Zusammenhang mit einem Schulraum, einem Feuerwehrgeräteschuppen oder einer Polizeiwache. 

Weitere Details siehe bei  → Gemeindeverwaltung


Bürgermeisterei Beeck

1809 waren in Beeck das Gemeindehaus und der Gefängnisraum noch kein Gemeindeeigentum, sondern gemietet.
1823 besaß die Gemeinde Beeck ein Gebäude mit Schulzimmer im Erdgeschoss und Verwaltungsetage im Obergeschoss.
Quelle:  Peters, K. und Alfer, P. , Geschichte der Gemeinde Beeck bis 1933, Wegberg 2022

1854 wurden zwei Gebäude an der Holtumer Straße und am Kirchplatz erworben, die über einen Innenhof und einen schmalen Gebäudetrakt verbunden waren. Dieses Gebäudeensemble war ursprünglich ein bäuerliches Gehöft und mindestens seit 1825 im Besitz der Familie Heinrich Pütz. Für die Zwecke der Gemeindeverwaltung wurde es aufwendig umgebaut und renoviert. Die Räume an der Holtumer Straße dienten den Verwaltungs-, Büro-, Archiv- und Besprechungs-Zwecken. Das Haus am Kirchplatz war die Dienstwohnung des Bürgermeisters. So konnte der Bürgermeister, ohne den Umweg über die Straße zu nehmen, ungesehen zwischen Wohnung und Büro wechseln.

Bürgermeisterei Beeck 1930


Eine genauere Beschreibung dieses Gebäudes findet man in:  https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkmäler_in_Wegberg

1935 wurden mit der Eingemeindung von Beeck nach Wegberg die Beecker Bürgermeisterei-Gebäude nicht mehr benötigt.Bürgermeisterei Beeck 2018

Heute sind in dem Gebäude-Ensemble das Europäische Volkstrachtenmuseum sowie weitere Räume des Heimatvereins Beeck untergebracht.

Altes Bürgermeisteramt

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Bürgermeisterei Wegberg

Wegberg, alte BürgermeistereiDas erste Wegberger Rathaus wurde 1772 fertiggestellt. Es diente gleichzeitig als Schulgebäude, Gefängnis, Wachstube und Feuerwehr-Spritzenhaus.
1819 wurde die Schule ins Gebäude des Kreuzherrenklosters neben der Wegberger Kirche verlagert. Renovierungen und Umbauten am Rathaus fanden 1835, 1855 und 1903 statt.

Ratssaal im Rathaus Wegberg 1937Mit der Eingemeindung von Beeck nach Wegberg 1935 war das alte Rathaus endgültig zu klein und den Aufgaben nicht mehr gewachsen. 1937 wurde ein neues, größeres Rathaus gegenüber dem Kreuzherrenkloster auf dem Areal des ehemaligen Klostergartens errichtet. Der Architekt dieses Rathauses war Heinrich Bartmann, ein Sohn des Wegberger Textilfabrikanten Ferdinand Bernard Bartmann (→ Industriestraße).

Das alte Rathaus wurde im Wegberg, Altes Rathaus 1945zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe im Januar 1945 zerstört. Es wurde nach dem Krieg vollständig abgerissen. An seiner Stelle entstand ein kleiner Marktplatz mit Brunnen. 

 

Rathaus Wegberg 1945Auch das neue Rathaus erlitt durch Bombardierung starke Beschädigungen, vor allem an der rechten Gebäudeseite.

 

 

 

Rathaus Wegberg ca. 1950Es konnte aber wieder hergerichtet werden.

Rathaus Wegberg 2010

 

 

 

In der Zeit des Wirtschafts-Aufschwungs nach dem Krieg wurde das Rathaus durch einen Anbau erweitert. Im Foto ist das gut zu erkennen: der rechte Teil mit den intensiver roten Ziegelsteinen ist der angebaute Trakt. Im Stil ist der Anbau dem Gebäude angepasst.

Der Rathaus-Vorplatz ist seit 1937 mehrfach vollständig umgestaltet worden. Zeitweilig war hier ein Busbahnhof.

Quellen:  
Adolf Vollmer, Die Geschichte der Gemeinde Wegberg, Cöln 1912
Presseartikel Rheinische Post 25.4.2015: Starke Schäden durch „moral bombing“

 


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