Gemeindeverwaltung

Gemeindeverwaltung

Vor 1794 gab es keine Ortsgemeinden (Kommunen) im heutigen Sinn. Die Verwaltung auf erfolgte auf regionaler Ebene in einem Amt (Amt Myhl, Amt Niederkrüchten, Amt Wassenberg) durch Amtmänner und Vögte. Beide ernannte der Landesherr, also der Graf bzw. Herzog.

Einem Amtmann oblag die Betreuung des Amtes, die kommunale Verwaltung, die Eintreibung der Steuern und die Berichterstattung an den Landesfürsten. In der Regel war der Amtmann adlig („aus ritterlichem Geschlecht“).
Einem Vogt unterstand die Polizei und das Gerichtswesen. Zur Unterstützung seiner Arbeit wurden Schöffen bestimmt. Schöffe konnte in der Regel nur werden, wer Grundbesitz hatte. 

Innerhalb eines Amtes gab es als Untergliederung das Kirchspiel. Dies verdeutlicht die Verflechtung der landesherrlichen Verwaltung mit der Kirche. Die Verwalter des Kirchspiels waren die Vorsteher (meist zwei) unter Mitwirkung der Schöffen und Geschworenen. Sie hatten dem Landesfürsten zu dienen und für das Wohl der Gemeinde zu sorgen.
Auch Vorsteher konnte nur werden, wer ein Erbe (also Grundbesitz) besaß. Die Vorsteher wurden mancherorts auch Bürgermeister genannt. Der Amtmann wählte aus einer Vorschlagsliste der „Meistbeerbten“ (also der reichsten Einwohner) nach freiem Ermessen ein oder zwei Personen als Vorsteher/Bürgermeister aus.

Eng verbunden mit der Gemeindeverwaltung war das Gerichtswesen, bei dem am Gerichtstag die Schöffen mitwirkten.
        Zur Funktion dieser Ämter siehe auch:  
        https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCrgermeister_(historisch)   (gefunden am 15.5.2019) 

 Weitere Details über die Justiz siehe:    →  Gericht

Der Ort Wegberg war von 1543 bis 1794 in zwei Teile geteilt; eine Grenze lief mitten durch Wegberg. Diese Teilung blieb in der napoleonischen Zeit (1794 bis 1815) bestehen. Sie beruhte auf der unterschiedlichen Gebietszugehörigkeit: der eine Teil gehörte den Herren von Tüschenbroich (die wie Beeck mit dem Herzogtum Jülich verbunden waren), der andere Teil gehörte den Herzögen von Geldern und war somit Teil der Habsburgischen Niederlande. 
Die Gemeinde Wegberg (geldrisch) bestand aus der links von Beeckbach und Schwalm gelegenen Siedlung sowie einigen ländlichen Gebieten im Umland (Groß-Gerichhausen, Uevekoven, Klinkum, Harbeck und Rickelrath; siehe Kartenbild).
Die Gemeinde Wegberg (jülichsch) bestand nur aus der kleinen rechts von Beeckbach und Schwalm gelegenen Siedlung.

Beide hießen Wegberg, aber es gab zwei separate Ortsverwaltungen in Wegberg: eine geldrische und eine jülichsche — und dem entsprechend zwei Wegberger Bürgermeister. 

Unter preußischer Herrschaft wurden 1820 die Gebiete der Gemeinde Tüschenbroich mit Wegberg vereinigt, so dass auch die Wegberger Teile rechts der Schwalm nun zur vergrößerten Gemeinde Wegberg gehörten.

Der Ort Beeck war damals flächenmäßig etwa gleich groß wie Wegberg.

Die Gemeinde Tüschenbroich war bis 1820 zweigeteilt: der Hauptteil mit Tüschenbroich und Geneiken sowie eine Exklave zwischen Beeck und Wegberg mit dem rechts der Schwalm gelegenen Teil des Ortes Wegberg (siehe Kartenbild). 

   (UD)   Eine detaillierte Darstellung der napoleonischen Zeit im Rheinland findet man bei: 
www.rheinische-geschichte.lvr.de/epochen/epochen/Seiten/1794bis1815.aspx  (am 4.2.2017)

Wegberg 1810 mit Gemeindegrenzen
Tü = Tüschenbroich

Die Situation im Zentrum von Wegberg verdeutlicht der folgende Kartenausschnitt:   (bitte anklicken)

Karte_Wegberg_1801


 

Siegelmarke Bürgermeisterei Beeck
Alte Siegelmarke der Bürgermeisterei Beeck. Solche Papier-Aufkleber waren als Briefverschlussmarke seit ca. 1850 bei Behörden, Anwälten, Notaren und Firmen zum Verschließen der Post in Gebrauch. Bis dahin wurde Siegellack verwendet.  [Abbildung aus Wikipedia; gemeinfrei]
Mit der französischen Besetzung des Rheinlandes im Jahr 1794 wurde eine Munizipalverwaltung (Mairie = Bürgermeisterei) eingerichtet. Seitdem existierte die Gemeinde Beeck als selbstständige Verwaltungseinheit und Rechtssubjekt.

Siegel Beeck
Stempelabdruck der Gemeinde Beeck.  Mit diesem Stempel wurden amtliche Schriftstücke gesiegelt.

Diese Gemeindeverfassung wurde nach 1815 unter der preußischen Regierung bis 1935 beibehalten.

Karte Beeck 1826
Urkatasterkarte von 1826 – drauf klicken!

Schon früh gab es Überlegungen und Bestrebungen, kleine Gemeindeverwaltungen zusammenzulegen. 1846/47 schlug der Erkelenzer Landrat eine Gemeindereform vor, nach der Beeck mit Wegberg vereinigt werden sollte. Die neue Großgemeinde sollte Bürgermeisterei Beeck heißen, während Wegberg Sitz des Bürgermeisters sein sollte. Beeck war strikt dagegen und zog eine Vereinigung mit Erkelenz vor, falls eine Zusammenlegung unvermeidbar wäre. Wegen des Widerstandes bei vielen der kleinen Bürgermeistereien wurde diese Gemeindereform nie realisiert. 
Mehr Details:   Josef Kahlau, Zur Frage der Verwaltungsneugliederung im Landkreis Erkelenz
         in:  Heimatkalender der Erkelenzer Lande 1968, S. 120 – 126


Bürgermeister von Beeck:

1795 – 1801 Derich Rütten
1801 – 1814 Johann Hermann Heinrich Vasters
1808 – 1854 Alexander Joseph Inderfurth  (*1781  1854)
1854 – 1890 Hermann Hubert Vasters   (*1817  1890)
1891 – 1905 Heinrich Behren
1905 – 1933 Paul Reuber   (*1878  1962)
1933 – 1935 Adolf Axer (kommissarisch eingesetzt, nicht gewählt)

nach  P. Alfer und K. Peters (Hg), Geschichte der Gemeinde Beeck, maschinenschriftliches Manuskript, 1933

Signatur Bürgermeister Inderfurth

 


Die Bürgermeister von Wegberg sind hier aufgelistet: 
Adolf Vollmer         https://de.wikipedia.org/wiki/Wegberg

Adolf Vollmer   (*1874  1936)  war von 1904 bis 1919 Bürgermeister in Wegberg. Er hat aus dem ihm zugänglichen Archivmaterial die Geschichte des Ortes Wegberg ausführlich erforscht und beschrieben. Ähnlich hat dies K. Peters gemeinsam mit Pfarrer Alfer für Beeck getan. Damals mussten alle Gemeinden auf Anordnung der preußischen Zentralregierung einen solchen Bericht anfertigen.
Adolf Vollmer, Die Geschichte der Gemeinde Wegberg, Cöln 1912


Im Jahr 1906 stellte die Gemeinde Wegberg einen Antrag auf einen Gebietsaustausch an die Gemeinde Beeck. Wegberg wollte die an ihren Bereich angrenzenden Beecker Gebietsteile (Busch, Berg, Freiheid, Forst) nach Wegberg eingemeinden und im Tausch dafür die zur Gemeinde Wegberg gehörende Ortschaft Großgerichhausen zur Eingemeindung nach Beeck freigeben. Beeck sah darin eine Übervorteilung und lehnte den Plan ab.


Informationen zu den Bürgermeisterei-Gebäuden
siehe  → Bürgermeisterei


Im Jahr 1935 erlosch die Selbstständigkeit von Beeck: Beeck ging durch Eingemeindung in der Gemeinde Wegberg auf.
   (UD)

Beeck Gebietszugehörigkeit

 


 

Nach dem 30. Januar 1933 „war die Welt eine andere“, obwohl die NSDAP keine Mehrheit im Reichstag und in Wegberg hatte. Gegner wurden überfallen und niedergeknüppelt, Organisationen politischer Gegner verboten, Bürgermeister mit fadenscheinigen Gründen aus dem Amt gejagt und Nazis an ihre Stelle gesetzt. Der gewählte Kreistag wurde aufgelöst.

Bereits im April 1933 wurde der Beecker Bürgermeister Paul Reuber durch die Nazi-Presse mit seinem Namen als „Räuber“ verunglimpft, zu Unrecht gesetzeswidriger Vorteilsnahme beschuldigt, seines Amtes enthoben und inhaftiert; die neuen Machthaber nannten das „in Schutzhaft genommen“. Bürgermeister Reuber 1930Reuber wurde gezwungen, aus Gesundheitsgründen „freiwillig“ seine Pensionierung zu beantragen.
Die Dienstgeschäfte übernahm alsbald der der NSDAP angehörende Adolf Axer als kommissarischer Bürgermeister. Axer entstammte einer gut situierten alteingesessenen Beecker Bauernfamilie, die erheblichen Grundbesitz in Beeck und Umgebung besaß. Auch das  Haus Beeck gehörte dieser Familie. 
Der Absetzung von Reuber folgte ein entwürdigendes Disziplinarverfahren gegen ihn wegen des angeblichen dienstlichen Fehlverhaltens. Reuber wurde vorgeworfen, seine Dienstwohnung von der Gemeinde Beeck zu billig gemietet und sich so bereichert zu haben. Ziel des Disziplinarverfahrens war die Aberkennung der Ruhegehaltsansprüche.
Am 14. Oktober 1933 wurde Paul Reuber noch nachträglich auf Grund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ förmlich aus dem Dienst entlassen. Nach dem Ende der Nazi-Diktatur arbeitete Paul Reuber als Gemeindedirektor in Büttgen.

Ein ähnliches Schicksal wie Paul Reuber war auch dem Wegberger Bürgermeister Hubert Minartz beschieden, der im Mai 1933 „aus Gesundheitsgründen“ durch das NSDAP-Mitglied (seit 1932) Albert Meyer ersetzt wurde.
In Erkelenz wurden im April 1933 der Landrat Theodor August Flesch und im Mai 1933 der Bürgermeister de Werth abgesetzt.

Das Nazi-System von Lockungen und Drohungen brachte viele Beamte und Kaufleute dazu, in die Nazi-Partei einzutreten, um die eigene wirtschaftliche Lage nicht zu verschlechtern bzw. sich eine Karriere nicht zu verbauen.

Schulklasse beim Hitlergruß

Das Nazisystem war vielschichtig und versuchte alle Lebensbereiche der Menschen, auch in Wegberg und in Beeck, zu steuern und so die gesamte Gesellschaft zu durchdringen. 

Verwendete Quellen:
  –  persönliche Mitteilung von Josef Brunen am 28.12.2017
  –  Vortrag von Heinz Gerichhausen zum Thema „Die Zeit des Nationalsozialismus‘ in Wegberg“ im 

Um die völkische Nazi-Ideologie effektiv in die Köpfe der Menschen zu befördern, wurden auch die Schulen nicht verschont: katholischen Geistlichen (z.B. Pfarrer Seitz in Merbeck) wurde die Ausübung des Religionsunterrichts an katholischen Volksschulen untersagt.
1939 wurden die katholischen Volksschulen in „Deutsche Schulen“ umbenannt. 
   (UD)


Die Gemeindereform (1933-1935) war Teil der personellen, organisatorischen und rechtlichen Maßnahmen des NS-Staats, den Einfluss der NSDAP sicher zu stellen und die Einwirkungsmöglichkeiten des Staates auszudehnen.

Nach der Machtübertragung 1933 an die Nazis versuchte der nationalsozialistische Staat eine stärkere Kontrolle über die Gemeinden auszuüben. Von Vertretern dieser Richtung — gedeckt durch den preußischen Ministerpräsidenten Göring — wurde eine Stärkung der preußischen Verwaltung forciert. Am 15. Dezember 1933 wurde das preußische Gemeindeverfassungsgesetz und das Gemeindefinanzgesetz verabschiedet. 

Das Gemeindeverfassungsgesetz verschärfte das Aufsichtsrecht des Staates beträchtlich und nahm den Gemeindevertretungen die wesentlichen Funktionen, um sie dem Staat zu übertragen. Die staatliche Aufsichtsbehörde konnte nun den Bürgermeister berufen und abberufen, die Gemeindeverwaltung kontrollieren und zu wesentlichen gemeindlichen Entscheidung ihre Zustimmung oder Ablehnung erteilen. So wurde die Mitwirkung der Bevölkerung an der innergemeindlichen Willensbildung — ein zentrales Element der kommunalen Selbstverwaltung — ausgeschaltet. 

Wahl 1933 NSDAP

Aufgrund einer Ablehnungshaltung aus Kommunalpolitikern, dem Reichsinnenministerium und der NSDAP wurde erst im Januar 1935 die Deutsche Gemeindeordnung verabschiedet, in der das Aufsichtsrecht im Vergleich zu den Gesetzen von 1933 wieder etwas abgeschwächt war. Trotzdem behielt das Gesetz einschneidende staatliche Eingriffsmöglichkeiten. Die „Ratsherren“ bildeten seit 1935 kein Beschlussorgan mehr.

Im vom Katholizismus und der katholischen Zentrumspartei durchdrungenen Rheinland war eine wesentliche Nebenabsicht der Gemeindereform die Zerschlagung der katholisch-politischen Mehrheiten zugunsten der Nazi-Partei. 

Barbara Becker-Jákli u.a. (Hg.): Nationalsozialismus und Regionalgeschichte, Köln 2002, S. 192 ff.
[geringfügig redigiert von (UD)]  


In der Zeit des Faschismus gab es in Deutschland Tausende Zwangsarbeitslager, in denen aus ihrer Heimat zwangsdeportierte Zivilisten und Kriegsgefangene unter oft unwürdigen Bedingungen leben und arbeiten mussten. Oft fand die eigentliche Zwangsarbeit nicht im Lager, sondern in benachbarten Industriebetrieben, in der Landwirtschaft oder in privaten Haushalten statt.
Nach einer Auflistung (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) gab es in Wegberg diese Zwangsarbeitslager:

Altersheim Wegberg
Axer, Bauernhof
Bartmann & Sohn
Beeck, Schule
Beeck, Wirtschaft Bertrams
Frienen, Wirtschaft
Schule Wegberg
Schule, Beeck
Uevekoven, Wirtschaft Schmitz
Wegberg  (vermutlich Gemeindeverwaltung)

Quelle für diese Tabelle:   www.zweitausendeins.de
Das nationalsozialistische Lagersystem, herausgegeben von Martin Weinmann, mit Beiträgen von Anne Kaiser und Ursula Krause-Schmitt, Frankfurt am Main: Zweitausendeins, 3. Auflage 1999.

Insgesamt gab es in Wegberg im Jahr 1944 mehr als 1000 ukrainische Zwangsarbeiter, die Panzer-Sperrgräben für die letzten Kriegsmonate ausheben mussten.
aus dem Tagebuch der damals 27-jährigen Josefine Heinrichs aus Klinkum, zitiert nach einem Presseartikel in der Rheinischen Post vom 10.4.2015 „Notizen aus dem Kriegstagebuch“


 

⬅  [ zurück zu „Sklaverei“ ]                                   [ weiter zu „Geld“ ] ➡  

⬅ ⬅ [ zurück zu „Territorium“ ]          

⬅ ⬅ ⬅ [ ganz zurück zur Startseite ]