Franzosenzeit

Die „französische Zeit“ im Rheinland

Die französische Verwaltung nach der Besetzung des Rheinlands durch napoleonische Revolutionstruppen war als „Fremdherrschaft“ bei vielen Menschenrechte 1789Rheinländern unbeliebt. Sie brachte aber einige Errungenschaften der französischen Revolution nach Deutschland, darunter die Beseitigung der Vorrechte des Adels, die Trennung von Staat und Kirche, eine moderne Verwaltung, ein modernes Rechtssystem, demokratische Strukturansätze, elementare Bürgerrechte und die Gleichstellung von Katholiken, Protestanten und Juden. Der Grundsatz war: jeder Mensch ist vor dem Gesetz gleich. Das schloss auch das gleiche Recht auf wirtschaftliche Betätigung ein (Gewerbefreiheit). Dieses Recht war z.B. den Juden jahrhundertelang abgesprochen worden. 

Im Strafrecht wurden die als besonders grausam angesehenen öffentlichen Ausführungsarten der Todesstrafe (Rädern, Erhängen am Galgen, Verbrennen bei lebendigem Leibe auf dem Scheiterhaufen) abgeschafft und durch Köpfen ersetzt. Das Gerät hierfür war die Guillotine, die um 1790 in Paris von Joseph-Ignace Guillotin konstruiert und nach ihm benannt worden war. Ihr Prototyp wurde zuerst an Schafen, dann an den Leichen von Vagabunden getestet, ehe das Fallbeil systematisch für Hinrichtungen von Menschen eingesetzt wurde. Am 20. März 1792 wurde ein Gesetz erlassen, das in Frankreich die Vollstreckung der Todesstrafe einzig mittels einer derartigen Maschine anordnete.

„Die Guillotine ist eine Maschine, die den Kopf im Handumdrehen entfernt und das Opfer nichts anderes spüren lässt als ein Gefühl erfrischender Kühle.“
  – Joseph-Ignace Guillotin, 1790 –

   (UD)   unter Verwendung von   https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph-Ignace_Guillotin  (am 28.1.2018)

Im Zivilrecht wurden wie im französischen Kernland alle Feudalabgaben (Abgaben an den Grundherrn, z.B. der Zehnt) und die Privilegien des Adels abgeschafft. Alle Bürger wurden nach einem einheitlichen Steuerrecht besteuert. Die Besitztümer des Adels blieben den Adligen jedoch erhalten.
Mit einer Verordnung, dem Konsularbeschluss („Arrêté des Consuls“) vom 9. Juni 1802, wurden Teile des Kirchen-Grundbesitzes und insbesondere die Klöster und Stifte mit ihrem ausgedehnten Grundbesitz als Nationaleigentum beschlagnahmt und meistbietend versteigert. Dieser Vorgang ist als Säkularisierung bekannt. Käufer waren deutsche und französische Adlige, aber auch reiche Bürger (meist Kaufleute, hohe Staatsbedienstete und Gutshof-Bauern). Die Erlöse flossen in die französische Staatskasse und deckten so die gesellschaftlichen Modernisierungskosten (z.B. die Baukosten für Straßen und Schiffahrtskanäle) und nicht zuletzt die Kriegskosten Frankreichs.
      mehr Details siehe bei  Zehntweg

Code Civil 1Code Civil 2Sehr bedeutsam war die Einführung des Code Civil durch Napoleon Bonaparte. Er garantierte jedem Bürger Rechtsgleichheit und öffentliche Gerichtsverfahren. Der Code Civil trat 1804 in Kraft und wurde ergänzt von der Zivilprozessordnung (1806), dem Handelsgesetzbuch (1807), der Strafprozessordnung (1808) und dem Strafgesetzbuch (1810). 
Auch nach dem Abzug der Franzosen 1815 blieb in der preußischen Rheinprovinz der Code Civil in Kraft, bis er 1900 vom Bürgerlichen Gesetzbuch abgelöst wurde.

Die Bevölkerung, die bis dahin in kleinen und kleinsten Territorien gelebt hatte, wurde Teil eines großen Wirtschaftsraums ohne Zoll- und Zunft-Schranken. 

Die alten unpraktischen Maßsysteme wie Zoll/Fuß/Elle/Meile wurden abgeschafft und durch metrische Systeme (Zentimeter/Meter/Kilometer) ersetzt. Musste man sich zuvor mit Dutzend, Schock, Ries, Gran und Pfund herumschlagen, waren nun Zehn, Hundert und Tausend wichtige Zahlen. 

Die männliche Bevölkerung der angegliederten Gebiete wurde zum Dienst in der französischen Armee herangezogen und musste somit an den französischen Eroberungskriegen teilnehmen, so auch am verlustreichen Russlandfeldzug 1812. Wehrdienstpflichtig waren grundsätzlich alle für tauglich befundenen Männer zwischen dem 20. und dem 25. Lebensjahr. Das war natürlich in der Bevölkerung sehr unbeliebt. Nur wer genug Geld hatte, konnte sich (genau wie im französischen Mutterland) einen Aufschub der Einberufung oder das Recht zur Stellung eines Ersatzmannes erkaufen.

Das Rheinland um 1805
Der Niederrhein ist Staatsgrenze

Die napoleonische Verwaltung baute zwar auf den alten feudalen Verwaltungsgrenzen (Grafschaften) auf, schuf aber dazu übergeordnete und untergeordnete Strukturen nach französischem Vorbild. Das französisch besetzte Rheinland wurde in Départements, Arondissements, Kantone und Bürgermeistereien (Mairies) gegliedert.

Insgesamt wurden unter Napoleon in den linksrheinischen Gebieten vier Départements eingerichtet: napoleonische linksrheinische Departements 1800

  • Département de la Roer, Rur-Département
    (mit Hauptort Aachen),
  • Département de la Sarre, Saar-Département
    (mit Hauptort Trier),
  • Département de Rhin-et-Moselle, Département Rhein-Mosel
    (mit Hauptort Koblenz),
  • Département du Mont-Tonnerre, Département Donnersberg
    (mit Hauptort Mainz).

Präfekt Dept. RoerDie Mairie Beeck gehörte zum Kanton Erkelenz, dieser zum Arondissement Crévelt (Krefeld), welches Teil des Départements Roer war. Die alten Abgrenzungen zwischen den Herzogtümern Geldern und Jülich sowie dem unabhängigen Wickrath hatten keine Bedeutung mehr. 

Verwalter und Richter wurden nicht mehr wie zuvor von einem Landesherrn ernannt (und blieben es meist lebenslang), sondern zumindest auf den unteren Ebenen durch eine Wahl im Gemeinderat bestimmt. Dieser demokratische Fortschritt wurde jedoch nach 1800 wieder rückgängig gemacht, fortan wurden Bürgermeister auf Vorschlag des Präfekten durch Napoleon ernannt. 


   Geburtsurkunde
Geburtsurkunde von 1805

Bis in die heutige Zeit wirkt die von der französischen Verwaltung verordnete Einrichtung von Standesämtern in den Bürgermeistereien.

Geburten, Eheschließungen und Todesfälle Eheringewurden nun systematisch erfasst.
Zuvor fanden solche Daten lediglich Eingang in Kirchenbücher. 

Traditionell hatten die Kirchen das alleinige Recht für Eheschließungen beansprucht. Ehescheidungen waren nicht möglich, es sei denn, man gehörte dem Adelsstand an, hatte viel Geld und erreichte gegen eine beträchtliche Geldzuwendung eine päpstliche Ausnahmegenehmigung.

Im Bereich der katholischen Kirche wurde nach Beschluss des Konzils von Trient 1538 das Führen von Kirchenbüchern über Eheschließungen, Geburten und (seit 1640) Sterbefälle eingeführt. Diese Aufzeichnungen oblagen den einzelnen Pfarren. Solche Personenstands-Kirchenbücher sind seit dem 18. Jahrhundert oft noch erhalten, ältere Bücher hingegen nur selten.

Mit dem französischen Einmarsch 1795 wurde im Rheinland die Zivilehe möglich – und in der logischen Folge auch eine legale Ehescheidung. 1798 wurde die Zivilehe obligatorisch und alleinig rechtsverbindlich. Kirchliche Hochzeitszeremonien waren fortan nur noch schmückendes Beiwerk ohne juristische Bedeutung.

Nach 1815 schaffte Preußen die Zivilehe zugunsten der Kirche wieder ab. Erst 1874/75 wurde in Preußen und im Deutschen Reich die Eheschließung vor dem Standesbeamten erneut verbindlich eingeführt.


Kartenwerk TranchotDie genaue Kartierung des Rheinlandes durch Tranchot von 1801 bis 1814 sowie die Einrichtung von Katasterämtern sind bis heute wirkende Errungenschaften. Genaue Karten waren für das Militär zur Kriegführung unentbehrlich.

Das präzise Kartieren wurde nach 1817 von preußischen Militärkartographen fortgesetzt. Federführend war Generalmajor von Müffling.

von Müffling
Generalmajor Freiherr von Müffling

 

Es entstanden die Generalstabskarten. Zunächst wurden die Tranchot/von-Müffling-Karten ausschließlich militärisch genutzt. Erst ab 1868 wurden sie vervielfältigt und für Gewerbe, Industrie und Verwaltung freigegeben.

Landvermessung

 

 

Jean Joseph Tranchot (* 2. Januar 1752 in Kœur-la-Petite, Lothringen; † 30. April 1815 in Linas) war französischer Geograph und Offizier.
Sein wichtigstes Werk war die Topographische Aufnahme der Rheinlande (Tranchotkarte).

 

 


In der französischen Zeit flossen viele französische Wörter in die deutsche Umgangssprache ein, beispielsweise:
– Plümo (frz. plumeau = Federbett)
– Filou (Schlitzohr)
– Monnie (frz. monnaie = Geld),
– Portmonee (Geldbörse),
– Drottewaar (frz. trottoir = Bürgersteig),
– Perrong (frz. peron = Bahnsteig)
– füselieren (frz. fuselir = erschießen)
– malaad (frz. malade = krank) 
– Malesse (frz. malaise = Unannehmlichkeit, Missmut)
– perdü (frz. perdu = dahin/hinüber/kaputt)
– Paraplü (frz. parapluie = Regenschirm)
– pardon (Entschuldigung).
   (UD)   mit Informationen aus:   https://de.wikipedia.org/wiki/Département_de_la_Roer
   und   https://de.wikipedia.org/wiki/Linkes_Rheinufer    (beide am 23.4.2017)

Oft wird der Ausdruck Fisimatenten auch auf diese Entstehungszeit zurückgeführt. Französische Besatzungssoldaten sollen schäkernd den vorbeikommenden Mädels zugerufen haben „visitez ma tente“ = „besuch mich in meinem Zelt“, wovor die besorgten Mütter natürlich mit dem Spruch „Mach keine Fisimatenten“ schärfstens warnten. Tatsächlich hat der Ausdruck aber einen anderen Ursprung, der hier erklärt wird:
     www.swr.de/blog/1000antworten/antwort/11969/     (am 25.10.2018)


 

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