Spielburgweg

 

Die Straße Spielburgweg verläuft überwiegend im „jülichschen“ Wegberg. Nur nahe der Kreuzung Industriestraße/Siemensweg ist sie auf historischem Beecker Gebiet.

Der Straßenname bezieht sich auf ein von dieser Straßenkreuzung ca. 400 m entferntes Erdwerk, das auf Beecker Gebiet liegt. Ob das Erdwerk mittelalterlichen Ursprungs ist und jemals eine Burg war, ist überaus zweifelhaft. Die Bedeutung des Namens „Spielburg“ ist unklar; schriftliche historische Zeugnisse sind unbekannt. Manches spricht dafür, dass der Namensbestandteil „Spiel“ auf das alt-/mittelhochdeutsche „spel“ zurückzuführen ist: es bedeutet Erzählung, Predigt, Zauberspruch. Die Spielburg wäre demnach eine „Sagenburg“ oder „Zauberburg“.

Das Wort „Spiel“ findet sich auch in Begriffen wie „Beispiel“ oder „Kirchspiel“.
In englischen Worten gibt es diese Bedeutung entsprechend: „spell“ („I put a spell on you“) und „Gospel“ (religiöser Gesang von Afroamerikanern), altenglisch „Godspel“ (gute Nachricht, frohe Botschaft).
Diese Art „Spiel“ hat nichts mit „Spielen“ zu tun.

Möglich ist aber auch, dass der Name „Spielburg“ erst später entstanden ist und widerspiegelt, dass man über Geschichte und Sinn des Erdwerks nichts weiß.

Unstrittig ist die Lokalisierung der „Spielburg“ zwischen → Industriestraße und Grenzlandring. Spielburg
Die Spielburg ist als Bodendenkmal registriert. Sie ist schlecht zugänglich und kaum noch erkennbar, weil ihre Überreste in einem von dornigem Gestrüpp überwucherten bewaldeten Areal liegen.
Karte SpielburgEs gibt bisher drei Deutungsversuche für die Funktion der Spielburg. Sie werden nachfolgend erläutert.

Erste Erklärung:
Die Erdbauweise der Spielburg hat Ähnlichkeit mit der Bauart einer Motte und könnte auf eine ähnliche Entstehungszeit hindeuten. Als Motte wäre sie aber ungewöhnlich klein. In einer Bodenrelief-Aufnahme ist dieses Erdwerk deutlich erkennbar:
Bodenrelief Spielburg

Die „Spielburg“ besteht aus einem viereckigen Graben mit einem gegenüber dem äußeren Gelände etwas erhöhten Innenraum Grundriss der Spielburg(Durchmesser ca. 15 Meter). In der Mitte des Innenraums ist als weitere Erhöhung ein kleiner Hügel aufgeschüttet, der sich heute noch ca. 50 cm über das Innenraum-Niveau erhebt; früher war er vielleicht etwas höher. Der ringförmige Graben hat zwei gegenüber liegende Durchlässe (Erdbrücken).
Die Anlage war zur Zeit ihrer Nutzung möglicherweise zusätzlich mit Holzpalisaden oder einem Holzzaun gesichert. Steinerne Relikte sind nicht bekannt. 

In ungefähr 30 Meter Entfernung zur Spielburg verläuft eine alte Landwehr mit Wall und Graben.

Landwehr bei der Spielburg


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Mit dem „Neuhöffche“ (siehe auch → Neuhofstraße) gibt es in Beeck dicht am Beeckbach, südwestlich von Haus Beeck, ein historisches Objekt von ähnlicher Bauart und ähnlichem Erhaltungszustand, jedoch größer und mit zwei getrennten inneren Erhebungen (Innenraumdurchmesser ca. 15 Meter und ca. 45 Meter). Hier sind keine Durchlässe (Erdbrücken) erkennbar; vielleicht gab es eine hölzerne Brücke, von der aber nichts mehr erhalten ist. Der Ringgraben des Neuhöffche wurde wie die Gräben um Haus Beeck und die Beecker Motte durch den Beeckbach gespeist.

Das Neuhöffche ist ebenso wie die Spielburg dicht an der historischen Außengrenze des Beecker Gebiets positioniert. Dies könnte den Verdacht nahelegen, dass beide Anlagen der Verteidigung gegen Angriffe von außen dienten. Möglich wäre, dass auf dem inneren Hügel ein hölzerner Beobachtungsturm errichtet war, um gegnerische Bewegungen oder Angriffsvorbereitungen frühzeitig erkennen zu können. Diese Vermutung wird gestützt durch die Tatsache, dass in unmittelbarer Nähe beider Anlagen Reste einer alten Landwehr zu finden sind.
Beweiskräftige Relikte für eine wehrhafte Nutzung und für ein der Landwehr ähnliches Alter der Anlage gibt es aber nicht.
Denkbar ist noch, dass in friedlichen Zwischenzeiten die Anlagen als Zollstationen gedient haben könnten, um den „Transit“ von Menschen und Waren kontrollieren und fiskalisch besteuern zu können. Der Gebiets-Herr (hier wohl: der Herzog von Jülich) war selbstverständlich immer daran interessiert, Einnahmen für seine Regentschaft zu generieren.
    (UD)   unter Verwendung von  
>  Markus Westphal, Neue Erkenntnisse zu den sogenannten „Landwehren“ im Kreis Heinsberg,   in:  Heimatkalender des Kreises Heinsberg 2018 (Hg.: Kreis Heinsberg), S. 16-39    und   
>  Ruben Stieding, Großzügig angelegte Grenzwehr von überörtlicher Bedeutung,   in:  Heimatkalender des Kreises Heinsberg 2010 (Hg.: Kreis Heinsberg), S. 15-25


Zweite Erklärung 
Eine andere Deutung der Bezeichnung Spielburg spekuliert, dass die Anlage mittelalterlichen Ritterspielen gedient habe. Diese Vermutung erscheint allerdings nicht plausibel, weil die Anlage dafür eigentlich zu klein ist und weit abseits aller bekannten hiesigen Herrenhäuser oder Ritterburgen liegt.
       (UD)    [diese These erwähnt Markus Westphal, a.a.O. (siehe oben), hält sie aber für unrealistisch]


Dritte Erklärung 
Diese Deutung der Funktion des Erdwerks „Spielburg“ wird hiermit in die Welt gesetzt vom Autor dieser Website. Sie ist ganz anders, kann aber den Namen nicht erklären: Die Anlage diente landwirtschaftlichen bzw. gesundheitspolizeilichen Zwecken der Viehwirtschaft. Ihre Nähe zur alten Landwehr ist rein zufällig.  

Begründung:

  • Für eine wie auch immer geartete Burganlage oder als mittelalterlicher Militärstützpunkt ist sie zu klein.
  • Angesichts der örtlichen Höhenlage ist nicht ersichtlich, dass und wie der Graben jemals mit Wasser gefüllt gewesen sein könnte.
  • Die beiden Erdbrücken sind für eine Burganlage untypisch.
  • Die Hauptkarte der Gemeinde Beeck von 1826 (also aus „preußischer“ Zeit) verzeichnet zwar nicht die Spielburg, aber eine durch das Gebiet führende Straße namens Viehstraßer Weg, die vom Vorort Berg zu einer Viehstraße führte, über die man Beeck, Gripekoven, Moorshoven, Kipshoven und Rheindahlen erreichen konnte.

Karte Spielburg Viehstraße

Um 1800 war das Gebiet um die Spielburg noch unbewaldetes Heideland, entstanden durch mittelalterliche Rodungen und übermäßige Beweidung.
(Zur Entstehung der Heide Freiheider Straße  und Heidekamp).
Die Anlage könnte als Korral z.B. für Schafe oder Kühe gedient haben. Vielleicht stand auf dem inneren Erdhügel auch eine Schutzhütte für den Hirten.
Diese Deutung stützt sich auf die geringe Plausibilität der anderen Deutungen und auf den Straßennamen „Viehstraße“ in der oben abgebildeten Karte von 1826. Sie gilt nur für die Spielburg, nicht für das deutlich größere Neuhöffche. 

Gestützt wird diese Erklärung von Tatsachen:
>  Die Viehstraße setzt sich nach Rheindahlen fort.
>  Zwischen Rheindahlen und Mönchengladbach gibt es noch heute eine Viehstraße.
>  Bei Rheindahlen ist in der Tranchot-Karte auch eine „Viehhut“ verzeichnet.

>  In vielen Orten über Westfalen bis hin nach Ostdeutschland gibt es Viehstraßen.

Viehstraße Dahlen

Tierseuchen stellten im 18. und 19. Jahrhundert eine ernst zu nehmende Bedrohung für Gesellschaft und Wirtschaft in ganz Europa dar. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts sollen der Rinderpest mindestens 200 Millionen Rinder zum Opfer gefallen sein. In wiederkehrenden Schüben beeinflussten die Tierseuchen Landwirtschaft, Handel und gesellschaftliches Leben der betroffenen Gebiete. Die enormen Viehverluste gefährdeten nicht nur die Milch- und Fleischversorgung, sondern auch die Düngerversorgung der Äcker. Der fehlende Rinder-Stallmist führte zu erheblichen Ernteeinbußen. Während Landadelige häufig über mehrere Güter verfügten und der Anteil des in den Rindern gebundenen Kapitals prozentual niedriger war, traf es die unteren Bevölkerungsschichten ungleich härter, wenn sie ihre – mitunter einzige – Kuh verloren. Insbesondere dann, wenn die Seuche auf Missernten folgte (oder umgekehrt), sind damals viele Kleinbauern verarmt.

Die Bekämpfung von Viehseuchen war deshalb in der frühen Neuzeit für die agrarisch strukturierten Gesellschaften wichtig. Nach und nach erkannte man, dass die althergebrachten Maßnahmen wie Segnung des Viehs durch den Pastor, gemeinschaftliches Beten, Verabreichung von „Zaubertrank“, Räuchern des Stalls mit Kräutern oder Tieropfer wirkungslos waren. Es bedurfte staatlicher Maßnahmen. 
Ausführliche Angaben findet man z.B. in 
Katharina Engelken, Dominik Hünniger, Steffi Windelen (Hg.), Beten, Impfen, Sammeln – Zur Viehseuchen- und Schädlingsbekämpfung in der Frühen Neuzeit, Göttingen 2007

Zur Eindämmung von Tierseuchen wie der Rindviehpest hatte der preußische Staat im 18. und 19. Jh. Gesetze erlassen, die die Einfuhr von Vieh aus dem Ausland nach Preußen reglementierten. Das beinhaltete Beobachtung des Tierverhaltens (Verweigerung des Fressens, Fieber, Aussehen) und Verordnung von Quarantäne vor dem Einstellen in Stallungen und vor dem Schlachten. Auch die Entsorgung seuchenbefallener Tierkadaver musste geregelt werden. Es gab erste Impf-Versuche. 
Vieh-Quarantäne
Importiertes oder zum Viehmarkt zu schaffendes Vieh wurde damals nicht in Fahrzeugen transportiert, sondern von Viehtreibern über vorgeschriebene Straßen und Wege getrieben. Auch das Vorschreiben der Treib-Wege diente dem Seuchenschutz. Ihr eigenes Vieh konnten die Bauern dann ungefährdet über andere Wege leiten.  Die Viehstraße im Bereich Wegberg/Rheindahlen/Mönchengladbach wurde für den Viehtrieb von Vieh aus Holland genutzt. Diese immer wiederkehrende Nutzung führte zum Straßennamen. Unter diesem Gesichtspunkt könnte die „Spielburg“ ebenso wie die „Viehhut“ Lager und Quarantänestation für Importvieh gewesen sein.
    (UD)

 

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